Ein lebendiges Denkmal handwerklichen Könnens
Als wolle sie sich verstecken vor den Augen der Besucher verstecken, so duckt sich die Wöstenesch-Wassermühle an die Fahrbahnböschung der Bestener Straße in Eggermühlen. Die 2000-Seelen-Gemeinde in Norden des Landkreises Osnabrück gründet, wie schon aus dem Ortsnamen erkennbar ist, seine Urwurzel in der Existenz mehrere Wassermühlen. Schon im Jahre 1134 wird "Eghenemolen" in den ersten Analen erwähnt.
Den Titel, der mühlenreichste Kreis in Niedersachsen zu sein, konnte bis zum Gebietsreform und dem Zusammenschluß der ehemaligen Kreise zum Landkreis Osnabrück, der Altkreis Bersenbrück über einen langen Zeitraum für sich in Anspruch nehmen. Der Wasserreichtum dieses Landstriches, mit seinem ausreichenden Gefälle brachte es mit sich, daß die hier ansässigen Mühlen vorwiegend mit Wasserkraft angetrieben wurden. Stattliche 118 Wind- und Wassermühlen waren im Altkreis Bersenbrück noch in den ersten Jahrzehnten es 20. Jahrhunderts verzeichnet.
Drei Mühlen an einem Bachlauf
Eine der mühlenreichsten Gemeinden des Kreises Bersenbrück war Eggermühlen. Drei Wassermühlen, nur wenige hundert Meter auseinanderliegend, an ein und demselben Bach. Fast 13 Meter Höhenunterschied ermöglichten den Betrieb. Als einzige der drei Mühlen, konnte die Wöstenesch-Wassermühle für die Nachwelt erhalten werden. Mehrere Generationen war die Familie Prues Pächter dieser "oberen Egger-Mühle". Im Jahre 1970 gab der letzte Müller dieser Ära, Walter Prues, seinen Beruf mangels Rentabilität auf. In Eggermühlen lebt sein Name bei der älteren Bevölkerung in der Bezeichnung "Prues-Möhlen" weiter.
Den heutigen Zustand verdankt das Kulturdenkmal dem Heimat- und Verkehrsverein, dessen Hauptziel es bei der Gründung im Jahre 1975 war, das ziemlich heruntergekommene Mühlengebäude in seiner Bausubstanz zu erhalten. Als sich damals über 100 Heimatfreunde entschlossen, dem alten Gemäuer wieder Leben einzuhauchen, war es Rettung in letzter Minute.
Nonnen als Mühlenerbauer?
Die Erbauer der geräumigen Wassermühle am Eggermühlenbach dürften die Zisterzienserinnen des etwa 20 Kilometer nördlich von Eggermühlen gelegenen Klosters Börstel bei Berge gewesen sein, die in folge finanzieller Schwierigkeiten, im Jahre 1594 den Mühlenbetrieb an Caspar von der Wenge verkauften. Die Jahreszahl 1594 im Fachwerkgiebel des Gebäudes kündet noch heute von den einstigen Besitzverhältnissen. Nur ein Jahr zuvor hatte von der Wenge das Gut Eggermühlen erworben.
Die jährlich nicht unerheblichen Pachtzinsen, die sich aus dem Mahlbetrieb ergaben, strich indes weiter das Kloster Börstel ein. Erst im Jahre 1613, als ein weiterer Schuldenberg den Kovent zu Börstel dazu zwang, erkaufte Amtsdrost von der Wenge die Gesamtrechte an der Mühle.
Mühlsteine - Herzstücke jeder Mühle
Aus dem Jahre 1654, gerade hatte der Drost Joachim von Boeselager das Gut Eggermühlen mit samt seinen Mühlen erworben, ist ein Contract erhalten, in dem die Mühlenpacht damaliger Zeit für die Wöstenesch-Wassermühle festgehalten ist. Der Pachtzins, der jeweils nach dem Zustand der Mühle, besonders aber dem Zustand der Mühlsteine festgelegt wurde, betrug 212 Taler pro Jahr.
Die kostenintensive Beschaffung des Mühlsteins, die in entfernten Gebieten Deutschlands aus dem Fels gehauen wurden, stellten den Mühlenbesitzer oft vor große Probleme. Lange Transportwege über Flüsse und Kanäle und lange Bearbeitungszeiten beim Schärfen des Steins hatten ihren Preis. Zwei Mahlsteine wurden je Mahlgang benötigt. Da die Wösteneschmühle über zwei Mahlgänge verfügte, benötigte man somit vier der zentnerschweren Kolosse. Im Pachtvertrag war peinlich genau festgelegt daß Mühlsteine "zwar hart und fest, doch nicht von gleicher Härtigkeit sei solleten, denn zwey harte Steine mahlen selten klein". Oft gestritten wurde im Müllerhandwerk um den Mahlzins. Mit diesem Mahlzins, einem Anteil des zu mahlenden Getreides, wurde der Müller für seine Arbeit entlohnt.
Ein kaum noch zu durchschauendes Wirrwar an Mahlzinsen (bei Roggen den 32ten Teil, bei Buchweizen den 24ten Teil oder bei Weizen nur den 6ten Teil), veranlaßten 1838 das Amt Fürstenau, ein einheitliches Maß einzuführen. Gemessen wurde nun in Himpen. Dem Gogericht Ankum oblag die Aufgabe, die Einhaltung und Eichung dieses Maßes in seinem Verwaltungssprengel alle sieben Jahre durchzuführen. Der Mahlzins der einzelnen Mühlen allerdings konnte nicht auf einen Level gebracht werden, da Auslastung und Nachfrage sich zu sehr unterschieden.
Simpele Technik - genial umgesetzt
Der der Wöstenesch-Wassermühle vorgelagerte Mühlenteich verlieh bereits dem Vorgänger des im Jahre 2001 erstelltem neuen eichernem Wasserrad mit seiner Breite von 140 Zentimetern und 230 Zentimetern Durchmesser derartige Kräfte, daß neben den erwähnten zwei Mahlgängen auch ein Sägegatter betrieben werden konnte. Über eine Wasserrütte ergießen sich noch heute die Fluten des Eggermühlenbaches in die Schaufeln des oberschlächtigen Rades. Fast ein Kubikmeter Wasser setzt bei jeder Umdrehung des Wasserrades die noch komplett vorhandene Mühlentechnik in Bewegung.
Die Kraft des Wasserrades überträgt die Rotationsbewegung über die fast sechs Meter lange Achswelle auf das Stirnrad in das Innere des Mühlengebäudes. Dieses vertikal rotierende Rad mit 98 hölzernen Zähnen und einem Durchmesser von 160 Zentimetern, gibt die Kraft an das Herzstück, dem Kronenrad, weiter. Die hölzernen Zähne dieses Rades greifen in die Königs- oder Korbräder.
Mittels dieser Übertragung werden die Mahlgänge in Bewegung gesetzt.
Die Lage der Wassermühle wurde von den Erbauern so gewählt, das das angelieferte Korn ohne große Transportprobleme über eine nur etwa 150 Zentimeter über Das Wasserradder Straßenführung angebrachten Rampe entladen werden konnte. Über einen ausgeklügelten Rüttelmechanismus unterhalb des im Dachgeschoss befindlichen Kornbunkers kann die Kornmenge dosiert werden. Durch die mittlere Ausspaarung des oberen Mühlsteines gerät das Korn zwischen die beiden Mühlsteine. Dabei wird es vom sich drehenden oberen Mühlstein, dem Läufer, auf den unteren feststehenden Mühlstein, dem Lagerstein, zermahlen. Die Stellung der beiden Mahlsteine zueinander ergibt die Konsistenz des Mehles. Beim Schroten des Getreides wird das Korn nur grob zerrieben. Die Mühlsteine sind wenige Millimeter voneinander getrennt. Ist die Produktion von feinem Mehl, auch Beutelmehr genannt, gewünscht, wird der Abstand zwischen den Mahlsteinen verringert. Durch die Fliehkraft und die schräg in den Mühlstein geschlagene Rillen, gelangt das Mahlgut über den Rand des Lagersteins hinaus auf eine Förderschnecke im Kellerschoß des Gebäudes. Sechs Mehlsäcke können an den hier angebrachten Sackpfeifen gleichzeitig befüllt werden.
Kraftschonender Mehltransport
Die Mehrförderschnecke, ebenfalls angetrieben durch das Mühlrad, verteilt das gemahlene Korn auf die Pfeifen. Die Kraft des Wassers nutzen die Erbauer der Mühle nicht nur für den Mahlbetrieb.Waren die Säcke im Mühlenkeller mit Mehl gefüllt, konnten ohne große Anstrengung mittels eines, ebenfalls mit Wasserkraft betriebenen Aufzuges, wieder auf den Mühlenboden transportiert werden. Hier war ein genialer Kreislauf zu ende. Der Abtransport konnte beginnen.
Hunderte von Besuchern, von denen viele ihre Eindrücke über das technisch perfekte vorindustrielle Kulturdenkmal in das Gästebuch der Mühle eintrugen, sind angetan von dem tiefen Einblick in eine vergangene Mühlenepoche. Jährlich Der Abtransportsteigende Besucherzahlen mit Gästen aus aller Herren Länder freuen sich heute über das, was sich der Heimat- und Verkehrsverein Eggermühlen im Jahre 1975 bei seinem Bemühen um den Erhalt der Mühle auf die Fahnen geschrieben hatte - die Wöstenesch-Wassermühle soll kommenden Generation Anschauungsobjekt in Sachen lebendiger Geschichte sein. Beim Deutschen Mühlentag (Pfingstmontag) und an jedem ersten Sonntag im Monat (von April bis Oktober) zwischen 10 und 12 Uhr haben Besucher die Möglichkeit, die letzte der drei Mühlen in Eggermühlen live zu erleben.